DER SALZGARTEN “CAMILLONE“ VON CERVIA
Der letzte Salzgarten in Europa in dem das Salz noch mit traditioneller Handarbeit und Holzgerätschaften gewonnen wird. Einigen mitglieder des Kulturvereins der Saline von Cervia sind froh, die tausendjährige Tradition der Salzgewinnung fortzuführen, so wie sie unsere Eltern mündlich überliefert haben. Schon als Kinder spielten wir in den Salzgärten und lernten den Gebrauch der antiken Holzwerkzeuge. Cervia befindet sich auf etruskischem Siedlungsgebiet und wahrscheinlich wurde schon damals salz in den natürlichen Lagunen gewonnen. Später kamen die Griechen, die die Siedlung Ficocle tauften, was soviel heisst wie”Algenlagune” (Laguna delle alghe). Cervia war dann während der dauer des Römischen Reichs eine der wichtigsten Städte der Adriaküste.
Die Holzwerkzeugen stammen aus römischer Zeit ; wie zum Beispiel: Rësta : lateinisch:“restis” schiffstau mit dem die Salztransport boote gezogen wurden. Rabiël : Venetisch:“rabio“ kleine Holzhacke Stura : spätlateinisch: “storea” Strohmatte Zôran : altitalienisch: “Gottazza“ Schöpfeimer Cótg : lateinisch “cotex“: Holzszylinder zum Walzen Tómba : lateinisch “tumba“: grosse freie Fläche Ghêvar: Keltisch-lateinisch “gàbalus“: grosse Holzgabel Zèman : lateinisch “geminae“: kleiner Abtrennungskanal Şmövar: lateinisch “exmovëre“: räumen Heute ist das Kultursverein stolz auf ehrenamtliche Tätigkeit im Salzgarten “Camillone“, welche von 18 Mitgliedern das ganze Jahr über ausgeübt wird. Dies ist eine harte Arbeit, die barfuss unter sengender Sonne geleistet werden muss. Um das Salz zu gewinnen, muss man vom monat März an beginnen das Meerwasser einzuleiten. Den ganzen Winter über bleibt der Salzgarten mit 1,5 m Meerwasser überflutet, um die Temperatur der Grunderdschicht höher zu halten und um den Pflanzenbewuchs zu verhindern. Das Wasser wird nun langsam von einem Becken zum anderen geleitet bis die Grundschicht auftaucht. Inzwischen wird der zurückbliebene Schlamm auf die Beckenufer gehäuft, damit die Salzbecken mehr Wasser aufnehmen können und damit wir von Juni bis August barfuss auf diesen Uferdämmen laufen können. Um die Mitte des Monats Mai ist durch die Verdunstung der Salzgehalt des Wassers bis auf 18 Grad “Beaumè“ (Salzdichteskala) gestiegen, je nach der Wetterlage, und es ist höchste Zeit alle Salzbecken,“Cavedini“genannt, sauber zu machen, dass heisst das der Grund der Becken abgekratzt wird mit einem Holzwerkzeug, das “Gavaro“genannt wird. Dann lässt man diese Beckenböden von der Sonne trocknen bis sie graue Farbe und Risse bekommen. Dies ist der kritische Moment, weil es sehr wichtig ist dass die ganze Beckenfläche glatt gewalzt und die Risse beseitig werden. Inzwischen hat das Salzwasser in den “servidori“ gennanten Becken einen Salzgehalt von 20° bis 22° grad “Beaumè“ erreicht und wird sofort in die vorbereiteten Salzbecken geleitet, wobei die Wasserschicht nur einen bis höchstens zwei Zentimeter tief sein darf, damit die Sonnenstrahlen in kurzer Zeit die Oberfläche erwärmen können. Nun wird der Salzgehalt durch die Verdunstung auf 24° Beaumè gebracht und dann beginnt ab 25° Beaumè das Salz Kristalle zu bilden, die alle Mineralien und Spurenelemente enthalten, die im Meerwasser gelöst waren. Dieser Prozess dauert einige Tage. Dann wird diese Kristallschicht durch Wassereinleitung und mit Hilfe des Holzwerkzeugs “gavaro“ gebrochen. Diese abschliessende Arbeit dauert 5 Tage. Dann ist das Salz gewaschen und kann gewonnen werden. Es wird aus dem Becken geholt und mit einer Holzschubkarre, “carriolo“ genannt, zu einer grossen mit Schlamm bedeckten Fläche gebracht. Dort liegt es dann 3 Monate unter der Sonne, wird getrocknet und durch die ultraviolette Strahlung sterilisiert. Wie gesagt, der Salzgarten“Camillone“ ist in Europa einzig in seiner Art der Salzgewinnung und stellt auch eine Touristenattraktion dar. So wird ein wichtiger Stück Kultur der Stadt Cervia erhalten. Die Salzgewinnung ist völlig von der Witterung abhängig. Je länger die Sonne scheint desto grösser ist die Menge des kristallisierten Salzes. Wenn es manchmal in Strömen regnet, schmilzt das noch in den Becken liegende Salz, wobei das Süsswasser zur Verschlammung führt. Dann muss das ganze Salz mit dem Schlamm gründlich vom Beckenboden abgekratzt werden, damit das Becken wieder im geeigneten Zustand für die Salzgewinnung ist. Danach ist das Salzwasser nicht mehr für die Salzkristallisation verwendbar und man muss einige Tage warten bis das Salz sich wieder an der Oberfläche des Beckens bildet. So geht die Salzgewinnung weiter je nach Wetterlage, bis zum monat September.
Wissenswertes aus der Geschichte der Salzgärten von Cervia Beginn der Salzgewinnung vor über 2000 Jahren zur Zeit der Etrusker. Dann folgten die Griechen und die Veneter bis schliessich die Römer die Siedlung besetzten. Auch später war die Produktionstätte des „“weissen Goldes“ ein, von den mittelalterlichen Herschergeschlechtern wie den Malatesta, sehr begehrtes und machtpolitisch wichtiges gut. Darauf wurde Cervia dem Kirchenstaat der Päpste einverleibt und blieb es, bis Napoleon Italien eroberte. Ab 1861 folgte mit der Gründung des italienischen Königreichs vervaltung durch das staatliche Salzmonopol. Die Siedlung, griechisch FICOCLE genannt lag direkt in der Mitte der Salzgärten. Cervia vecchia, die alte Stadt lag bis 1696, 2,5 km von Meerufer entfernt und wurde 1697 völlig neu aufgebaut direkt am Meeresufer. Cervia nuova, das neue Cervia hatte damals ca. 3000 Einwohner. Heute sind es über 30000. Der Umfang der gesamten Salzgärten betrug einst 14,2 km und die Fläche 827 Hektar, welche 70 cm unter Meerespiegel liegt. Anzahl der Salgärten Stand 1958 : 152 Salzgärten Damals erscheint erstmals der Name des Besitzers der Saline “Camillone“ die mit 47 Salzbecken (je 12 x 3 m.) jährlich ca. 3600 Doppelzentner Salz produzierte, obwohl sie die kleinste aller Salzgärten war. Die Anzahl der“Salinari“ (Salinenarbeiter o. Besitzer) betrug 152. Sie bekamen ein iährliches Gehalt für 200 Arbeitstage und eine zusätzliche Produktionsprämie. Im Sommer wurden von den Salinenbesitzern bis zu ca.350 Saisonarbeiter eingestellt. 75 % weibliche und 25% männliche Arbeitskräfte. Die jährliche maximale Salzproduktion belief sich auf 700000 Doppel Zentner. Das in den Salzgärten von Cervia gewonnene Salz ist ein reines Meersalz von feinster Qualität, es wird auch süsses Salz (“Sale dolce“)genannt, weil es zu 98% aus reinem Natriumchlorid besteht und fast keine bitteren Chlorsalze wie Magnesium-Kalium und Kalziumchlorid enthält. Auch der Feuchtigkeitsgehalt beträgt nur 2%. Die im Meerwasser enthaltenen Salze und Spuren elemente bleiben vollwertig erhalten ohne Zusatzstoffe oder Bindemittel. Elvino Bertozzi u. Peter-G. Heller.
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